Johannes Ronge, Mitgründer
Geschichtliche Entwicklung
Die HUMANISTEN RHEINHESSEN, Freie Religionsgemeinschaft Alzey, K.d.ö.R. wurde am 12. November 1876 in Worms unter dem Namen „Religionsgemeinschaft Freier Protestanten in Rheinhessen“ gegründet. Sie vereinigt die Freiprotestanten des Landkreises Alzey-Worms im Land Rheinland-Pfalz und die freiwillig angeschlossenen Mitglieder außerhalb des Landkreises zu einer einheitlichen Gemeinschaft und hat ihren Sitz in Alzey.
Bereits im Vorfeld der eigentlichen Gemeindegründung gab es auch in Rheinhessen sogenannte „Lesevereine“, die sich kritisch-rational mit religiösen Fragen beschäftigten und ein rational betont distanziertes Verhältnis zu biblischer Lektüre entwickelten. 1876 führte diese Entwicklung auch in Rheinhessen zur Gründung einer freiprotestantischen Gemeinde mit Zentrum in Alzey, der zahlreiche freiprotestantische Ortgemeinden angehörten, von denen einige von Johannes Ronge (Bild oben) mitbegründet worden waren. Am 5.11.1876, dem Gründungstag der Religionsgemeinschaft freier Protestanten Rheinhessens, hielt Ronge in Wonsheim und Steinbockenheim zwei Vorträge, zu denen er im Oktober eingeladen worden war. „Den 5ten November hielt ich diese Vorträge, erklärte die Grundsätze der neuen Reformation und forderte zur Organisation von Gemeinden auf. In Folge der Reden und Grundsätze traten in Wonsheim alle Bewohner bis auf zwei Frauen bei und in Stein-Bockenheim mehr als hundert. … Angeregt durch den Vorgang der Wonsheimer traten in Rheinhessen eine große Zahl von Gemeinden zusammen, welche den 10. Dezember ein Bekenntnis veröffentlichten, das dem Inhalte nach mit dem der Darmstädter und Wonsheimer Gemeinde übereinstimmt, weshalb wir uns später vereinigten.“ (zitiert nach: Hoffmann-Dieterich, Thomas, Die Entstehung und die Entwicklung des Freiprotestantismus in Wonsheim, unveröffentlichte Magisterarbeit, o.O., o.J., S. 8)
Der erste Pfarrer der freiprotestantischen Religionsgemeinschaft war der schon betagte und angesehene ehemalige Landtagsabgeordnete Balthasar Matty (1804-1883) aus Freilaubersheim. Ihm, der 1848 auf der Seite der revolutionären Freischärler Rheinhessens zu finden war, ist es zu verdanken, dass die freiprotestantische Religionsgemeinschaft mit Schwerpunkt in und um Alzey bereits in den ersten Jahren ihres Bestehens rasch auf nahezu 5.000 Mitglieder anwuchs. Sein Nachfolger wurde Christian Elßner, der schon seit 1845 in freien religiösen Gemeinden in Schlesien und Posen tätig gewesen und auch bei der Gründung des Bundes Freireligiöser Gemeinden im Juni 1859 in Gotha zugegen gewesen war. Wie fast alle freireligiösen Vorkämpfer, soweit sie nach der Zerschlagung der Paulskirchen-Bewegung nicht ins Ausland flüchteten, war auch er verhaftet und 1858 wegen Gotteslästerung angeklagt worden. Elßner war seit 1863 Herausgeber der auch in Alzey noch weitergeführten Zeitschrift „Die Morgenröthe – Blatt zur Erbauung und Belehrung im Geiste wahrer Religion“ und der Verfasser des freien Religionsbuches, welches 1882 in Alzey erschien.
Elßner, Verfasser des freien Religionsbuches
Auf den späteren Pfarrer Bucksath folgte im Jahr 1909 Rudolf Walbaum, der nahezu vierzig Jahre lang den Dienst in den rheinhessischen Gemeinden versah. Seine Nachfolger waren Reinhold Stark und Wolfgang Teuber.
Die Freie Religionsgemeinschaft verwarf schon in ihren Anfangszeiten „jeden Glaubenszwang“ und legte die Hauptbetonung ihrer Inhalte auf die Werte: Freiheit, Vernunft und Toleranz. Die Nähe der Freien Religionsgemeinschaft zu den Freireligiösen wird auch daran erkennbar, dass sie bereits zehn Jahre nach ihrer Gründung dem „Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands“ angehörte und sich ihr schließlich auch einige ältere deutschkatholische Gemeinden in Rheinhessen angeschlossen hatten.
Die HUMANISTEN RHEINHESSEN, Freie Religionsgemeinschaft Alzey, K.d.ö.R. ist mittlerweile längst eine staatlicherseits anerkannte und den Kirchen in rechtlicher Hinsicht völlig gleich gestellte Religionsgemeinschaft mit den Rechten auf Steuereinzug und der Erteilung ordentlichen Religionsunterrichts an den Schulen des Landkreises. In Alzey erbaute sie 1952 ihr erstes Gemeindehaus, und im Jahre 1974 wurde das heutige Gemeindezentrum ebenfalls in Alzey eingeweiht, das sich bei Feierstunden, Gruppentreffen, Ausbildungsseminaren aber auch zu geselligen Veranstaltungen und Familienfeiern einer regen Nutzung durch die Mitglieder des gesamten Landkreises erfreut.
Seit der Gründung des Ausbildungsseminares für ehrenamtliche Gemeindeassistenten und Gemeindereferrenten im Jahre 1995 durch den jetzigen Pfarrer, Stephan Kalk, bildet die Freie Religionsgemeinschaft Alzey unter Anerkennung der zuständigen rheinland-pfälzischen Ministerien für Kultus und für Unterricht auch ihre eigenen ehrenamtlichen Religionslehrkräfte aus. Neben den vierteljährlichen Mitteilungsblättern erscheinen in halbjährlicher Ausgabe die Gemeindezeitschrift „Lichtblicke“ sowie in loser Folge die „Blätter für religiöse Bildung“ und die Heftreihe „Humanismus als Lebenspraxis“. Neben dieser „literarischen Betreuung“ der Mitglieder gehören auch die Durchführung von Gemeinde- und Familienfeierstunden aber natürlich auch Geburtstags-, Kranken- und Betreuungsbesuche zu den vordringlichen Aufgaben des hauptamtlichen Pfarrers.
Die HUMANISTEN RHEINHESSEN, Freie Religionsgemeinschaft Alzey, K.d.ö.R. sind Mitglied im „Verband Freier Religionsgemeinschaften, K.d.ö.R.“ und seit 1997 mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten