Wohl wissend, nicht mehr (aber auch nicht
weniger) als ein Mensch zu sein, ein Wesen
also, das die Ursachen und Bedingungen für
die Entstehung und Bewahrung seiner eigenen
Existenz weltlichen Bedingungen verdankt,
findet jedes einzelne Mitglied der
Humanisten Rheinhessens (der Freien
Religionsgemeinschaft Alzey, K.d.ö.R.) eine
Sinn gebende Erfüllung in der Verwirklichung
der bestmöglichen Lebensumstände sowohl für
sich selbst als auch für seine Mitmenschen
und alle anderen lebendigen Mitwesen, die
mit ihm ihr Dasein teilen.
Im Bewusstsein der humanistischen Tradition
und der eigenen Verantwortung auch für die
kommenden Generationen geben sich
freireligiöse Humanisten auf diese Weise
eine auch im religiösen Sinne zugleich sinn-
und wertvolle Aufgabenstellung und Deutung
ihrer eigenen Existenz. Hierbei ist auch
eine selbstbestimmte Fort- und Weiterbildung
auf geistes- wie naturwissenschaftlichem
Gebiet eine unabdingbare Voraussetzung für
die Festigung und weitere Reifung der
eigenen Persönlichkeit.
Die humanistische Gemeinde bietet den
Einzelnen neben dem staatlich anerkannten
humanistischen Religionsunterricht und der
unterstützenden persönlichen Betreuung bei
Grenz- und Ausnahmesituationen im
persönlichen Lebenslauf (z. B. Geburt,
Jugendfeier, Hochzeit und Tod) zudem im
Rahmen ihrer Besinnungsstunden und der
übrigen Veranstaltungen durch die
persönliche Begegnung und den geistigen
Austausch mit gleich und ähnlich Gesinnten
einen Raum sowohl der Rück-Besinnung als
auch der Motivation und Unterstützung für
vorwärts gewandte Aktivitäten.
Über das Gesagte hinaus bedarf es keiner
Glaubenslehren zur Erlangung einer
persönlichen Seligkeit.
download: pdf-Flyer:
Wer
wir sind und was wir wollen (2017)
Versuch
einer Selbstbestimmung (2016/18)
„Über das Fortleben der menschlichen
Seele nach dem Tode des Leibes vermag uns
keine Wissenschaft gründlich zu belehren;
auch der Weiseste muss bekennen, darüber
nichts zu wissen, und jede Schilderung des
"Jenseits" sagt uns nur, wie derjenige,
welcher die Schilderung gibt, sich den
"Himmel" vorstellt, oder wünscht, dass er
sein möge. Ebenso ist es mit gewissen
Beschreibungen der sogenannten "Hölle" und
ihren erdichteten Bewohnern.
...
Wer die ihm zugemessene Lebenszeit redlich
auskauft, wer gewissenhaft seiner Pflicht
lebt, eifrig an seiner geistigen und
sittlichen Vervollkommnung arbeitet, die
ihm verliehenen Gaben und Kräfte nicht nur
zu seinem, sondern auch zum Wohle seiner
Mitmenschen anwendet: - der darf und wird
vor dem Tode nicht erzittern, denn er
trägt schon in sich selbst den Himmel ...
Wir betrachten die Lehrschriften der
protestantischen Kirche als wertvolle
Dokumente und Glaubenszeugnisse unsrer
Väter; aber wir gestatten nicht, dass man
diese in einer weniger erleuchteten Zeit
verfassten Lehrschriften zu Geistesfesseln
des gegenwärtigen Geschlechts missbrauche;
denn nimmermehr haben unsre Väter in ihren
heißen Kampfe um Glaubensfreiheit gewollt,
dass alle Nachkommen an den
festgeschriebenen Buchstaben gebunden sein
sollten. Wie sie einst protestierten gegen
den päpstlichen Zwangsglauben ihrer Zeit,
so protestieren wir gegen den
Glaubenszwang unserer Zeit und führen als
freie Protestanten das Geistesstreben
unserer Väter seinem hohen Ziele näher.“
Chr. Elßner: Materialien zum
Religionsunterricht (Alzey 1882) - Christian
Elßner war Pfarrer unserer Gemeinschaft von
1877-1892.
Gustav Tschirn: Bekenntnis (1914)
Frei sind wir, also nicht gebunden,
durch Glaubenszwang in unsrer Religion.
Wir glauben, was wir selbst als wahr
empfunden;
nicht, was uns vorschreibt eine Konfession.
Bekenntnis, Überzeugung sind uns nicht
verkäuflich,
auch nicht um ew'ge Seligkeit und
Himmelslohn.
Denn was uns unnatürlich scheint und
unbegreiflich,
das nennen wir nicht „wahr“ aus Furcht vor
Höllendroh'n.
Die Wahrheit bau'n wir auf die Wirklichkeit,
auf der Vernunft und der Natur Gesetze,
die ehern steh'n voll Unverbrüchlichkeit,
dass auch kein Gott durch „Wunder“ sie
verletze.
Allmächtig, ewig, und unendlich,
allgegenwärtig in der kleinsten Spur,
unfassbar hoch und doch so nah verständlich,
das höchste Wesen ist uns – die Natur.
Die unerschaff'ne Schöpferin der Welten,
aus deren Schoß hervor die Sonnen gehen,
und die aus Sternentrümmern, aus
zerschellten,
durch Welten-Nebel webt ein
Welten-Aufersteh'n.
Sie lässt im Kreis auch uns're kleine Erde
rollen
und auf der Erde alles Leben blüh'n.
Daraus zuletzt, zuhöchst erwachsen sollen
wir selbst, das Menschenherz, des Geistes
Glüh'n.
Entwicklung hat uns hoch empor getragen
tief aus dem Zellen-, Pflanzen-, Tieresstand
zum Aufrechtgeh'n, zum Sprechen, Denken,
Wagen,
Zur Kunst- und Arbeitsfähigkeit der Hand.
Natur gab uns die sittlich hohen Triebe
des Einzelnen zu der Gemeinsamkeit,
zu Menschenrecht und -pflicht, zur
Nächstenliebe,
dass jeder sich dem Großen, Ganzen weiht.
So leben wir mit Hoffen, Lachen, Weinen,
und schauen über unser'n Tod hinaus
der besser'n Zukunft stetiges Erscheinen
und atmen dafür unser Leben aus.
Doch vorher singen wir mit Jubeltönen,
was aus des Weltalls Tiefe zu uns spricht:
In uns der Geist des Guten, Wahren, Schönen
führt segnend höherwärts – durch Nacht zum
Licht.
Der freireligiöse Pfarrer Gustav Tschirn
(1865-1931) war um die Jahrhundertwende
sowohl Vorsitzender des Bundes
Freireligiöser Gemeinden Deutschlands als
auch des Deutschen Freidenkerbundes.
© HUMANISTEN RHEINHESSEN, Freie Religionsgemeinschaft Alzey, K.d.ö.R.